Eurocryst kommt Schritt für Schritt

In Mieming war der Dienstag der Vorwoche ganz dem Thema Eurocryst(EC) gewidmet: Bürgermeister Siegfried Gapp hatte den Mieminger Gemeinderat, die Kollegen aus Obsteig, sowie die Bevölkerung zu einer öffentlichen Sitzung eingeladen, bei der Fachleute über das Projekt informierten.

Was als Sitzung des Mieminger Gemeinderates angekündigt war, wurde von Bgm. Gapp ganz unbürokratisch in eine Gemeindeversammlung umfunktioniert, bei der jeder Anwesende die Möglichkeit hatte, Fragen zu stellen oder Bedenken zu äußern. Als kompetente Fachleute saßen am Podium: Dieter Bachmann, Industriellenvereinigung, Judith Amann, Amt der Tiroler Landesregierung, E. Kaldis, Physiker an der TH Zürich und Mitautor der Machbarkeitsstudie, und der Physiker Anton Zeilinger, Universität Innsbruck. Im Mittelpunkt standen die Fragen: Was kostet das Projekt? Wieviele Menschen ziehen nach Mieming zu? Gibt es ökologische Gefahren durch EC? Dient Eurocryst der militäirischen Forschung? Wieviel Fläche wird gebraucht?

Professor Kaldis wies darauf hin, das die moderne Elektronikforschung darauf angewiesen sei, mit äußerst reinen Stoffen zu arbeiten. Daher würden sämtliche Stoffe total von der Umwelt isoliert und in geschlossenem Kreislauf angewendet. Nach der Verwendung würden Spezialfirmen den Rest entsorgen. Er sah sogar
für Tiroler HTL die Möglichkeit, an manchen Stoffen neue Methoden des Recyclings zu erproben. Ein Viertel der für EC benötigten Energie könne mit Solaranlagen erzeugt werden. Der Flächenbedarf wurde von ihm mit 4,5 ha benannt, davon würden 2,5 ha verbaut.

Sowohl was die Finanzen betreffe als auch das Bauen und den Zuzug von Wissenschaftern, sei eine modulare Vorgangsweise vorgesehen. Das heißt, daß nicht das gesamte Projekt auf einmal errichtet wird, sondern im Verlauf von acht bis zehn Jahren Schritt für Schritt. Kosten fallen je nach Baufortschritt an, auch die Wissenschafter würden nur nach und nach kommen. Er schätze, daß sich insgesamt an die 50 Familien am Plateau ansässig machen würden. Eine nennenswerte Verteuerung auf dem Markt für Grundstücke und Wohnungen sei kaum zu erwarten, da die Kaufkraft junger Forscher bei weitem nicht so groß sei, wie allgemein vermutet werde. Es gebe bei EC keine direkte militärische Forschung, was mit den Ergebnissen der Forschung geschehe, entziehe sich natürlich der Einflußnahme.

Der Innsbrucker Physiker Zeilinger erwartet sich von EC eine deutliche und dringend notwendige Belebung der wissenschaftlich – technologischen Szene in Tirol. Uni-Forscher brauchten ein entsprechendes Praxisumfeld, wie es EC biete. Das Beispiel CERN bei Genf zeige deutlich, daß Forschungseinrichtungen immer auch Anwenderbetriebe nach sich zögen und daß die Nachbaruni davon profitiere. Kristallforschung bleibe länger aktuell, sodaß EC wohl problemlos die üblichen Rentabilitätsprüfungen (alle fünf Jahre) überstehen werde.

Dieter Bachmann äußerte sich zuversichtlich, daß das Projekt EC eine „kleine Gründerwelle« im Oberland auslösen werde. Zuerst wolle er aber die Bevölkerung als Bundesgenossen gewinnen, weil man sich gegen die starke Konkurrenz nur behaupten könne, wenn das Mieminger Plateau geschlossen auftrete. Zur Finanzierung wies er darauf hin, daß der Bezirk Imst im »Ziel-5b-Gebiet« liege, also seien für Eurocryst auch Förderungsmittel der EU zu bekommen. In den letzten zehn Jahren habe die Bevölkerung in Mieming um rund 900 zugenommen, daher sei auch ein Zuzug von 250 bis maximal 400 Personen zu verkraften. Als konkreten Standort nannte er das Mieminger Gebiet Fernblick. Aber die innerösterreichische Konkurrenz sei groß, so biete Wien eine geeignete Halle um den symbolischen Preis von einem Dollar an. Dagegen müssen man den Freizeitwert des Plateaus und die günstige Verkehrslage ins Treffen führen.

Judith Amann von der Abteilung Streiter hielt fest, daß EC
eine Jahrhundertchance für Tirol sei, an der Finanzierung würde sich die EU mit zwei Dritteln beteiligen. Österreich müsse rund eine Milliarde aufbringen. Die Gemeinde selbst habe vor allem für die Infrastrukrur zu sorgen und Wege sowie Anschlüsse zu errichten. Allgemein wurde darauf hingewiesen, daß manche Informationen derzeit noch nicht zur Verfügung stünden. In wenigen Wochen werde aber der zweite Teil der Machbarkeitsstudie veröffentlicht, in dem weitere Einzelheiten stünden. Bgm. Gapp wies Vorwürfe zurück, er habe nicht alle Informationen weitergegeben, während sich die Liste für ein lebenswertes Mieming das Zustandekommen dieser lnnformationsveranstaltung als ihren Erfolg anrechnete. Nach der Veranstaltung ließen Vertreter dieser Liste erkennen, daß sie bei einer neuerlichen Abstimmung jetzt für das Projekt Eurocryst stimmen würden.

Eurocryst kommt Schritt für Schritt

Dieter Bachmann (steh.), Judith Amann, E. Kaldis, Anton Zeilinger, Siegfried
Gapp und Bgm. Auer (Y.I.).

 

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Quelle: Rundschau

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