Zum Gedenken
an das Ende eines Krieges
mit all dem unvorstellbaren Leid, mit all der gigantischen Verwüstung
… und an die Opfer dieser Zeit
… und auch an den Neuanfang nach der Katastrophe
Vor 80 Jahren, am 27.04.1945 wurde die Unabhängigkeit Österreichs nach dem Anschluss an das deutsche Reich verkündet. In Wien beendete die Rote Armee mit der „Schlacht um Wien“ den Krieg am 13.04.1945. Im Westen Österreichs dauerte der Krieg ein paar Tage länger, Deutschland kapitulierte am 08.05.1945.
Vor 80 Jahren brach das „tausendjährige Reich“ – ein Begriff aus den 1920er-Jahren und von Adolf Hitler 1933 ausgerufen – nach weit weniger als tausend Jahren endgültig zusammen. Mit diesem Begriff und der dahinter stehenden Ideologie waren anfangs viel Euphorie und Hoffnung verbunden und später viel mehr Leid, Schmerz und Elend, psychische und materielle Verwüstungen.
Der Zweite Weltkrieg war für Deutschland und die „Ostmark“ (Österreich) schon längst verloren, als das NS-Regime dennoch im Oktober 1944 den „Volkssturm“ anordnete. Meist ohne Ausbildung und – wenn überhaupt – nur schlecht ausgerüstet, wurden Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren in eine aussichtslose Schlacht gejagt. Die Angst, dass die Alliierten nicht anders mit den Besiegten umgehen würden wie die deutsche Wehrmacht ein paar Jahre vorher, war nicht unbegründet. Die Gegenschläge der Alliierten, z. B. in Dresden, wo eine ganze Stadt in Schutt und Asche gelegt wurde, sprachen jedenfalls nicht dagegen.
Am 03.05.1945 zogen einige Menschen aus Obsteig trotz des Befehls zum „Volkssturm“ mit einer weißen Flagge den vordringenden amerikanischen Einheiten in Richtung Holzleiten entgegen. Laut Obsteiger Geschichte konnten so sinnlose Opfer und umfangreiche Zerstörungen verhindert werden.
Ob die Amerikaner mehr als Notwehrmaßnahmen ergriffen und Obsteig wirklich zerstört hätten, wissen wir nicht.
Seitdem findet jedenfalls jährlich zum Gedenken an die Verschonung des Ortes vor einer befürchteten Verwüstung durch die Amerikaner eine Wallfahrt nach Locherboden statt. Irgendwo habe ich den Spruch eines Obsteigers aus dieser Zeit gehört: „Ich muss nicht wallfahren gehen, ich habe mich vor den Nazis mehr gefürchtet als vor den Amerikanern“.
Was auch immer geschehen ist: An diesem Gedenktag soll derer gedacht werden, die in dieser Zeit vieles oder alles – ihre Würde, ihre Träume, ihr Leben – verloren haben.
Viele von ihnen sind am Kriegerdenkmal neben der Pfarrkirche „verewigt“. Nehmen wir uns ab und zu die Zeit, ihre Namen und ihre Daten zu lesen und ihnen und ihrer Geschichte nachzuspüren, ihr Leben zu würdigen. Obsteiger, in der Blüte ihres Lebens, vielleicht heldenhaft in ihrem Tun, vielleicht auch fügsame Opfer einer menschenverachtenden Ideologie und eines ebenso menschenverachtenden Apparates: Irgendwo in Europa „gefallen“ – was das heißt, werden wir uns nicht vorstellen können.
Oder – unvorstellbar traumatisch für die Hinterbliebenen – „vermisst“.
Kein Denkmal haben jene Opfer, die nicht unmittelbar an den Kriegshandlungen beteiligt waren und denen dennoch ihr Leben – ganz oder große Teile davon – genommen wurden. Ihrer wird auch bei der jährlichen „Kranzniederlegung“ am Kriegerdenkmal nicht gedacht: Kriegsversehrte, Zwangsarbeiter:innen, Andersdenkende und Widerstand-Leistende, Menschen mit Beeinträchtigungen, Menschen mit einer „minderwertigen Abstammung“, Homosexuelle, von den Ereignissen Traumatisierte und nicht zuletzt: Witwen, Kinder, Geschwister, Eltern und Großeltern der Getöteten oder Vermissten, …
Die Liste der Kriegsopfer ist viel länger als jene auf den Kriegerdenkmälern.
An wen man sich erinnert, ist nicht wirklich tot,
auch wenn er/sie gestorben ist.
Und wenn wir ab und zu daran denken, was die Ideologie, die in diesen Krieg ausgeartet ist, an Verwüstungen und körperlichen und seelischen Verletzungen bei jenen angerichtet hat, die das Ganze irgendwie überlebt haben, landen wir im Hier und im Jetzt. Was damals geschehen ist, hat mindestens eine ganze Generation geprägt und wirkt bis heute nach. Die gute Zeit, in der wir leben dürfen, hat eine Geschichte. Das ist unsere Geschichte – mit all ihren hellen und dunklen Seiten.
Wer seine Gegenwart verstehen will, muss um seine Vergangenheit wissen. Deshalb müssen wir uns immer wieder erinnern. Erinnerungen sind nicht immer nur schön.
Text und Fotos: Herbert Krug
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