Die Sterndl vom Simmering

Das Kuhloch am Simmering.

Aus den Märchen und Geschichten in und um Obsteig, erdacht zu besonderen Plätzen in Berg und Tal.

Aufgeschrieben im Mai 2019 von Toni Riser.

Kaum 10 Gehminuten oberhalb der Simmeringer Almhütte findet man noch heute ein tiefes Loch im eigentlich flachen Almboden. Da könnte noch heute leicht eine ganze Kuh hineinfallen. Deshalb haben die Almbauern dieses Loch auch abgezäunt.

Die Sterndl.

 Vor langer, langer Zeit  fehlte beim Almabtrieb vom Simmering ausgerechnet die schönste und beste Kuh. Wochenlang suchten die Hirten und Bauern nach diesem wertvollen Tier, welches auch leicht zu erkennen war. Hatte doch die  Kuh ein auffallend glattes braunes Fell und auf der Stirn einen weißen Fleck, so wie ein verwackelter Stern.  Sterndl hatte sie deswegen auch der Bauer aus Mötz genannt. Die Sterndl trug auf der Alm eine besonders helle Glocke, die ganz weit zu hören war. Doch die Kuh  blieb verschwunden. Kurz vor dem Almabtrieb hatten die Hirten noch die Sterndl in der Nähe dieses Loches gesehen, das sie das Kuhloch nannten. Auch die Jäger suchten und beobachteten die Raben und die Bartgeier. Normalerweise fanden diese Aasvögel jedes verendete Tier und zeigten den Jägern und Hirten an, wo ein Tier abgestürzt oder aus einem anderen Grund verendet war. Aber auch Raben und Geier fanden nichts. Die Kuh blieb verschollen. Manche glaubten, die Kuh sei heimlich von  Viehdieben vom Simmering geholt worden, um sie dann irgendwo zu verkaufen. So ging der Mötzer Bauer  auf jeden Viehmarkt von Landeck bis Innsbruck, in der Hoffnung seine Sterndl dort zu finden.  Doch keiner der Bauern und Viehhändler die er dort traf,  hatten die Sterndl gesehen oder davon gehört. Die Kuh blieb verschollen.

Der Schnee fiel am Simmering, im Tal kehrte der Winter ein, mit sehr viel Schnee, soviel Schnee, dass selbst in Mötz drei Monate lang alle Zäune im Schnee verschwunden waren. Der Frühling kam, zu St. Georg war der  Schnee geschmolzen  und wieder wuchs das Gras auf der Weide. In diesem Jahr besonders gut, weil viel Schneewasser den Boden feucht hielt.

Eines Tages im Mai,  saß  in der Wirtsstube in Mötz ein alter Mann mit weißem Haar und weißem Bart, einem großen schwarzen Filzhut und einem Hirtenstecken.  Dieser fragte alle Mötzer die er  traf, was diese von dem Birgele wissen.  Das Birgele ist ein großer  felsiger Block in den Feldern westlich von Mötz mit einer kleinen Kirche dabei. Die Mötzer erzählten ihm die alten Sagen vom Birgele.

Das Birgele in den Mötzer Feldern   mit den alten Stollen .

 

Das Birgele sei ein großer Stein, der frühere Gipfel vom Simmering, den einst ein Riese bis  Stams werfen wollte, aber glücklicherweise nicht traf, erzählte der Erste.

Auf dem Birgele sei früher eine kleine Burg gestanden, in der eigentlich niemand wohnte, nur bei Nacht soll manchmal Licht gewesen sein in der Burg. Dann habe man auch Stimmen gehört, so als ob Kinder  spielend durch die Burg getobt hätten, wusste der Zweite zu berichten.

Vom Birgele sei auch ein Bergstollen in den Grünberg und bis auf den Simmering gegangen. Dort soll vor langer, langer Zeit ein uraltes Hirtenvolk im Winter gelebt haben. Diese Hirten sollen auch die Steine am Simmering weggeräumt haben und die vielen Blumen dort gesetzt haben. Aber gesehen habe sie keiner, erzählte der Dritte.

Am Abend ging der alte Mann mit weißem Haar, weißem Bart, großem schwarzen Hut und dem Hirtenstecken zum Birgele hinaus. Auf dem Weg dorthin traf er den Bauern, dem die Kuh natürlich noch immer fehlte und kam mit diesem ins Gespräch.  So erzählte der Bauer von der Kuh,  die letzten Herbst beim Almabtrieb vom Simmering spurlos verschwunden war und wie diese aussah. Er erzählte von dem markanten weißen Stern an ihrem Kopf und dass sie eine so gute und brave Kuh gewesen sei.

Woher er diese Kuh habe, fragte der alte Mann? Die Kuh habe ich selbst aufgezogen von einer meiner Kühe. Die Mutter der Sterndl hat da draußen beim Birgele gekalbt. Das kleine Kalb hatte so ein schönes Sterndl am Kopf, deshalb war das unser Sterndl. Wir alle zu Hause sind noch immer ganz traurig.

OHO , AHA und SOSO sagte der alte Mann und schüttelte den Kopf . JAJA die die Lausbuben, brummte er vor sich hin. Er klopfte dem Bauern auf die Schulter, verabschiedete sich mit einem freundlichen „pfiet di“ und ging weiter auf das Birgele zu. Der alte Mann wurde nie mehr gesehen, nur der große schwarz Hut und sein Hirtenstecken aus Haselnuß blieb beim Birgele zurück, dort wo heute das Kirchlein steht. Der Bauer ging heim nach Mötz und dachte über diese seltsame Begegnung nach. Mit den Worten des alten Mannes konnte er aber nichts anfangen.

Am nächsten Tag trieben die Mötzer Bauern mit ihrem Kuhhirten wieder ihre Kühe auf die Heimweide oberhalb von Mötz. Zu Mittag schaute der Hirte zu seiner Herde und da stand die Sterndl gut genährt und mit glänzendem Fell mitten unter den Mötzer Kühen an  der Tränke beim Zementofen. Die  Sterndl  hatte Zwillingskälber dabei, beide  gesund und munter jedes mit einem Stern auf der Stirn. Nur die helle Glocke fehlte. Da staunte der Hirte und noch mehr der Bauer aus Mötz. Beide freuten sich und mit ihnen freute sich ganz Mötz über die zurückgekehrte Sterndl mit ihren Zwillingen.

Manchmal, wenn alles ruhig ist am Simmering, hören die Hirten spät abends aus dem Kuhloch noch heute ganz leise eine helle Glocke klingen, ganz so als ob Kinder damit spielen würden.

Wie die Sterndl vom Simmering bis zur Tränke beim Zementofen kam?  Wo die Sterndl den ganzen Winter über verblieb? Wer sie so gut gefüttert und so sauber gestriegelt hat? Wo die Zwillinge mit dem Sternchen auf der Stirn zur Welt kamen?  Was es mit den Lausbuben auf sich hat, von denen der alte Mann sprach, das alles bleibt für immer das großes Rätsel vom Kuhloch am Simmering und vom Birgele bei Mötz.

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Quelle: Toni Riser

Orginaldokument: Die Sterndl vom Simmering