MÜNCHEN. Zur Frage des Brennerbasistunnels hat der bayerische Staatsminister Anton Jaumann für die Tiroler Tageszeitung einen Exklusivbericht verfaßt. Und er schlägt eine Bresche für den Brennertunnel.
„Die bayerische Staatsregierung tritt seit vielen Jahren dafür ein, daß die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnverbindung München-Verona durch einen Neubau der Brennerstrecke mit einem Tunnel unter dem Alpenhauptkamm entscheidend verbessert wird. Dabei geht es nicht darum, bayerische Interessen auf Kosten anderer zu verwirklichen, sondern um die Lösung eines Problems von europäischer Dimension. Aus umweltpolitischen, verkehrspolitischen und energiepolitischen Gründen, aber auch im Interesse der Bevölkerung erscheint es nicht vertretbar, daß der Straßengüterverkehr auf der Brennerachse weiter so zunimmt wie bisher wenn nichts Durchgreifendes geschieht.
Seit 1970 ist der Güterverkehr über den Brenner auf der Straße in Nord-Süd- und Süd-Nord Richtung von 3, 1 Millionen Tonnen (netto) jährlich auf über 14 Millione Tonnen im Jahre 1984 angewachsen. Demgegenüber ist das mit der Eisenbahn transportierte Gütervolumen nur geingfügig von 3,6 Millionen Tonnen auf etwas über vier Millionen Tonnen gestiegen. Das besondere Interesse Bayerns ergibt sich aus der Tatsache, daß Italien Außenhandelspartner Nummer eins ist. Verkehrsverbindungen im zentralen Alpenraum sind für Bayern wirtschaftlich lebenswichtig, aber auch von erheblichem Gewicht für Italien, die Bundesrepublik Deutschland und für Nord- und Nordwesteuropa.
Prognosen besagen, daß das Verkehrssystem am Brenner im Jahre 2000 auf eine jährliche Kapazität von bis zu 30 Millionen Tonnen für beide Richtungen ausgelegt werden müßte. Selbst wenn die Kapazität der vorhandenen Brennerbahn erheblich gesteigert wird, bliebe gegen Ende dieses Jahrhunderts ein Straßengüterverkehr dem die Brennerautobahn nicht gewachsen sein wird, von den Belastungen für die Anlieger ganz zu schweigen.
In allen beteiligten Ländern bemüht man sich, die Rolle der Eisenbahn, vor allem im Güterverkehr, wieder zu stärken. Die Brennerachse mit ihrem hohen Anteil des Lkw-Verkehrs bietet ein besonders großes Potential zur Stärkung des Marktanteils der Eisenbahnen.
Der wachsende grenzüberschreitende Verkehr ist Spiegelbild zunehmender internationaler Arbeitsteilung. Wird dem nicht durch geeignete verkehrswirtschaftliche Maßnahmen Rechnung getragen, dann steht diese Arbeitsteilung und damit der „Wohlstand der Nationen“ auf dem Spiel.
Pressemeldungen zufolge hat sich die Landtagsfraktion der Südtiroler Volkspartei am 22. / 23. Februar 1986 für einen Brennerbasistunnel ausgesprochen. Ich begrüße diesen weitblickenden Entschluß nachdrücklichst. Konnte doch in letzter Zeit verstärkt der Eindruck entstehen, als ob in der Brennerfrage aus der Sicht Südtirols „nichts mehr gehen würde“. In unser aller gemeinsamem Interesse hoffe ich, daß sich nunmehr die Südtiroler Landesregierung bald für den Basistunnel entscheiden wird…