Auf halbem Weg zwischen Thal und Finsterfiecht steht am südlichen Wegrand eine kleine, offene Kapelle. Sie sieht neu und gepflegt aus und über dem Rundbogen steht die Schrift „Sühne Kapelle“.
An ihrer Stelle stand noch vor 14 Jahren ein gleicher Bau, der aber völlig zerfallen und nicht mehr zu richten war. Man riss ihn 1990 nieder und errichtete eine neue Kapelle mit genau den gleichen Maßen.
Sie hat die Maße 280 x 170 cm, die Höhe beträgt 280 cm. Im Inneren hängt ein Bild „Heiliger Wandel“, es zeigt Jesus, Maria und Josef beim Spaziergang, zwei behelmte Heilige, Gott Vater und die Heilig-Geisttaube. Am unteren Bildrand erkennt man Arme Seelen im Fegefeuer. Ein Balken unterhalb des Bildes trägt die Daten: ,,26.12.1833 -IHS – 14.10.1990″. Ein schönes Schmiedeeisengitter schließt den Andachtsraum nach vorne ab.
Die Entstehung dieser Kapelle geht auf einen Kindesmord im Jahre 1833 zurück. Darüber schrieb der damalige Pfarrer einen lateinischen Bericht, der wörtlich übersetzt folgendes erzählt :
„ Theresia Auer, geb. am 26. Aug. 1800, hat am 26. Dez. 1833 ein männliches Kind geboren, das sie von einem Soldaten oder Reiter oder Stationierten aus der Toscana empfangen hatte. Sie hat dasselbe gleich nach der Geburt mit Gewalt umgebracht, hat es aber bis zum nächsten Tag zuhause in Finsterfiecht Nr. 278 verborgen gehalten. Schließlich hat sie es in ein zerrissenes Leintuch eingewickelt und es neben einem Baum in der Nähe mehr mit Schnee als mit Erde zugedeckt, wobei niemand etwas Schlimmes vermutete.
Am 8. Jänner ging sie in der Früh von daheim weg unter dem Vorwand, einen geeigneten Dienstplatz zu suchen, ging aber direkt nach Silz zum k.k. Bezirksgericht, um sich selber über das Verbrechen anzuklagen. Nachdem sie in den Kerker gesperrt worden war, erschien am 9. Jänner der zuständige Richter Kleinhans mit einem Schreiber und den Ärzten aus Mieming und Silz und auch dem Lokalvorsteher von Finsterfiecht. Das versteckte Kind ist nach kurzer Zeit von den Nachbarn in Finsterfiecht gefunden und der gegenwärtigen Kommission übergeben worden. Die Untersuchtung wurde durch ein Protokoll festgehalten. Bei Eintritt der Nacht ist die Sache erledigt worden. Das Kind aber wurde in der folgenden Nacht im Friedhof auf dem für ungetaufte Kinder bestimmten Platz beigesetzt.
Die Schuldige wurde in erster Instanz vom Bezirksrichter zu 20 Jahren, in zweiter Instanz vom Appellationsgericht zu 12 Jahren, in dritter Instanz vom Höchstgericht zu fünf Jahren verurteilt. “
So weit der nüchterne Bericht des Pfarrers. Er erzählt alles, verschweigt aber die unglaubliche Tragik, die hinter diesem Geschehen verborgen ist.
Was muss diese junge Frau, die zu dieser Verzweiflungstat schritt, alles durchgemacht haben! Ein lediges Kind zu empfangen und zu gebären, war zur damaligen Zeit eine Schande und Schmach, nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Familie. Das ganze Dorf würde mit den Fingern auf sie zeigen, sie ist eine Sünderin, von Gott und den Menschen verworfen.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihre Schwangerschaft geheim zuhalten und das Kind, sobald es auf der Welt war, zu töten und zu verbergen, wollte sie nicht der unbarmherzigen Strafe ihrer Eltern und dem Gespött der Leute ausgeliefert sein. Bei Nacht und Nebel nimmt sie die kleine Leiche und verscharrt sie, und weil der Boden gefroren ist ,,mehr mit Schnee als mit Erde“.
Doch dann plagen sie gewaltige Gewissensbisse und sie will für ihre Tat einstehen und büßen.
Sie liefert sich der weltlichen Gerichtsbarkeit aus. Dem Vernehmen nach hat sie nach der Kerkerstrafe nicht mehr lange gelebt. Heute geht die Gesellschaft mit ledigen Müttern Gott sei Dank barmherziger um als damals, sie werden nicht mehr zu Verzweiflungstaten getrieben.
An dem Ort, wo Theresia das Kind verscharrt hatte, geschahen der Überlieferung nach eigenartige Dinge. Leute, die in der Nacht hier vorbei gingen, sahen über der Stelle blaue Lichter tanzen, die ganz sonderbar anzusehen waren und Furcht einflößten. Und wenn man mit einem Ochsen- oder Pferdegespann vorbei fuhr, blieben die Zugtiere an dieser Stelle stehen und weder gutes Zureden, noch Strafe konnte sie dazu bewegen, weiterzugehen. Da erkannten die Menschen, dass die Freveltat nur gesühnt werden konnte, wenn man hier ein christliches Zeichen setzte. Und man baute die Sühnekapelle, im Volksmund „Simes Kappele“ genannt. Damit hatte der Spuk ein Ende.
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