Der Klammleputz

 

 

Der Klammleputz

Erdacht und aufgeschrieben im Juli 2021 von Toni Riser

 

Im Klammle, dort wo das meist kleine Bächlein vom Zwischensimmering in einem kleinen Wasserfall ins Klammle stürzt soll einst der Klammleputz gehaust haben. Der Klammleputz soll den Menschen immer gut gesinnt gewesen sein. Er soll  manches ungeschickte Kalb, das sich zu nahe an den Wasserfall wagte, wieder zurück auf sichere Weidegründe geleitet haben. Deshalb so sagten die alten Hirten vom Simmering,  soll auch sehr selten dort ein Kalb oder Jungrind abgestürzt sein.

Wenn Gewitter südlich des Tschirgant und vom Fernpass kommend, drohten, sich über dem Simmering zu vereinen so soll der Klammleputz  wie wild durch das Klammle gerauscht sein und mit lautem Gepolter und abrollenden Steinen die Holzarbeiter aus dem Klammle vertrieben haben, um diese vor der drohenden Gefahr zu warnen. Denn solche Gewitter mit Hagelschlag über dem Simmering konnten innerhalb weniger Minuten  solche Unmengen von Wasser, Schlamm und Geröll durchs Klammle bringen, dass Brücken weggerissen und sogar die Felder in der Breite bei Finsterfiecht vermurt werden konnten.

So soll einmal ein ganzer Ganter Holz, der zum Abtransport im Klammle bereitlag, bei so einem Unwetter verstreut in den Breitefeldern  gelegen sein.

Gesehen haben die Obsteiger den Klammleputz nie – oder doch?

Der Klammleputz könnte manchmal  auch menschliche Gestalt angenommen haben. So wurden manchmal fremde Gestalten am Grünberg, am Simmering und in den Thalmähdern gesehen. Manchmal als altes verhutzeltes Männlein, manchmal auch ein fescher junger Bursch. Immer jedoch mit einem Bergstock aus Haselnuss und schwarzen Hut. Ein wenig unheimlich waren schon die besonderen Augen die unter der breiten Hutkrempe hervorblickten. Auf die früher übliche Frage:  „Wohin des Weges?“, erfolgte immer nur eine kurze, aber freundliche Antwort: „durchau“ (hinauf),  „durchoo“ (hinunter), „durchei“ (hinein) oder  „durchaus“ (hinaus). Mehr war von den sonderbaren Fremden nie zu erfahren.

Einmal soll eine junge Obsteigerin einem sonderbaren Fremden beim Thalmahd begegnet sein. Von dem jungen Burschen so angetan, soll diese sich augenblicklich in ihn verliebt haben. Mit ihm ging sie eine kurze Strecke „durchau“ . Die junge Obsteigerin hatte sich so verliebt in diesen Burschen, dass sie immer wieder einen Grund  fand, sich in den Bereich des Klammle zu begeben, in der Hoffnung diesem Burschen mit den geheimnisvollen Augen noch einmal zu begegnen. Die Farbe seiner Augen war nicht zu beschreiben. Am ehesten erinnerte sie sich daran, wenn sich Luftblasen unter einer dünnen Eisschicht am Bach weiterbewegen. Doch leider traf sie diesen Burschen kein zweites mal. Auch keiner der Burschen und Männer denen sie später begegnete konnte ihr Herz gewinnen. Deshalb blieb sie zeitlebens alleine und meisterte so ihr Leben.

Zu jeder Jahreszeit, wenn sie sich im Bereich des Klammle aufhielt fühlte sie sich glücklich und mit sich selbst zufrieden.  Sie meinte zu spüren,  von den geheimnisvollen Augen gesehen zu sein und an besondere  Plätze gelenkt zu werden. So fand sie im Frühjahr die ersten Morcheln in dieser Gegend. Immer wieder fand sie abgeworfene Hirschgeweihe, nicht selten sogar paarweise, und oft mehrere Jahre hintereinander vom selben kapitalen Hirsch. Die Jäger dankten ihr für die Sammlung und ihr Gespür  für Wildwechsel und die Hirsche im besonderen, auch oft mit einem saftigen Stück Wildpret.

Im Sommer waren es Pfifferlinge und Steinpilze, die ihr fast begegneten und zum Pflücken einluden. Selbst für Moosbeeren und Grantn wusste die Frau die besten Plätze und klaubte diese reichlich. Sie fand und erntete viel mehr als sie selbst brauchen konnte und verschenkte rundum was ihr übrig war.

Selbst der späte Herbst  zog sie in den Zwischensimmering, wo sie beim „Ausmachen“ der Äste besonders geschickt war, so dass man glauben konnte, ihr Asthaufen werde von selbst größer. Damit sicherte sie eine warme Stube in den kalten Wintertagen, wo sie fleißig warme Socken und Wadlstutzen für die Holzknechte strickte.

Im Alter stand sie öfters am Trendlsbachle  und sah dem kalten Farbenspiel , aus Eis, Wasser,  Luft und Licht in schneebedeckter Landschaft zu. Dann träumte sie sich zurück in die Erinnerung an die wenigen Augenblicke einer Begegnung beim Weg

 

                                   „durchau“.

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Quelle: Chronik Obsteig