Wenn man durch die schöne Kulturlandschaft von Obsteig wandert oder fährt, fällt auf, dass einem viele Zeugnisse religiöser Kultur begegnen. Zu Fuß kann man kaum eine Viertelstunde unterwegs sein, ohne dass man auf ein Kreuz, ein Marterl, einen Bildstock oder eine Kapelle trifft. Diese Beispiele sakraler Kleinkunst zeugen von einem tiefen Volksglauben in vergangener, aber auch in der jetzigen Zeit.
Denn es fällt einem weiters auf, dass fast alle Kapellen und Wegkreuze in ausgezeichnetem Zustand sind, teilweise sind sie sogar neu. Es gibt keine einzige Kapelle in Obsteig, außer dem „Müllers Kappele“, die nicht in den letzten dreißig- vierzig Jahren entweder aufwendig restauriert oder neu geschaffen wurde. Und wenn man die Bauwerke eingehend betrachtet, sieht man in fast jedem einen Blumenstrauß oder eine brennende Kerze.
Die meisten der Obsteiger Kapellen haben ein hohes Alter. Bis zum Jahr 1786 gab es im Dorf keine eigene Kirche und keine eigene Seelsorge. Die Pfarrei, der Obsteig zugehörte, war Untermieming und der sonntägliche Gang zur Messe und zurück dauerte jedes Mal Stunden lang. Zudem war dieser Weg – vor allem im Winter – manchmal auch gefährlich. Daher wurde der Kirchgang auch nicht selten ganz unterlassen, was aber nicht heißt, die Menschen wären nicht religiös gewesen. Wie ernst es ihnen mit ihrem Glauben war sieht man daran, dass sie unter großen Strapazen und Kosten und unter erheblichem Widerstand des Stiftes Stams dieses schöne Gotteshaus schufen, das Obsteig heute hat.
Und es war ihnen auch davor schon ernst mit ihrer Religiosität. Weil ihre Pfarrkirche weit weg war und sie diese selten besuchen konnten, wollten sie auch in ihrer Nähe Gebetsstätten haben. Und daher errichteten sie ihre Kapellen und statteten sie mit oft sehr schönen Altären, Figuren und Bildern aus. Es gibt in Obsteig keinen alten Weiler ohne seine Kapelle. Die Weiler Roller und Langgarten sind relativ jung und haben keinen Sakralbau, die Unterstraß hatte aber eine Kapelle (,,Zur Heiligen Familie“), an deren Stelle dann die Kirche erbaut wurde. Die Mooswaldsiedlung gehört zur Kapelle Oberstraß. Manche Bewohner der Siedlung sind Mitglieder dieser Kapellengemeinschaft.
Wie gesagt, gibt es auch neue Kapellen in Obsteig. Die alte Kapelle von Weisland musste der Grundzusammenlegung weichen, etwas östlich vom Weiler steht nun eine gefällige neue, die in der Mitte der 1980iger Jahre eingeweiht wurde. Die neue Kapelle von Arzkasten wurde an der Stelle der alten erbaut, und zwar wegen des Versprechens eines Außerferners. Das Simes Kappele bei Finsterfiecht baute man im Jahr 1990 neu auf, weil die alte Kapelle am Zusammenbrechen war. Auch die Burg Klamm hat einen neuen Sakralbau. Als die Familie Hünnebeck 1956 die Burg übernommen hatte und in der Folge restaurieren ließ, baute sie 200m westlich der Burg ein kleines Gotteshaus für die Urnen der verstorbenen Familienmitglieder.
Die Kapellen sind aber keine toten Denkmäler, sondern in ihnen lebt auch heute noch Religiosität. Es finden Bittgänge mit Messen statt, es gibt ab und zu Abendmessen und ein neuer Brauch- die Kapellenwanderung der Frauen-hat stets regen Zuspruch. Wie oft Einzelne ihrer Kapelle einen Besuch abstatten, kann man so nicht sagen.
In der heutigen Zeit ist es leider so, dass gerade aus diesen kleinen Gotteshäusern oft Kunstwerke gestohlen werden und die Leute daher direkt gezwungen sind, ihre Kapellen zuzusperren. Ein Bewohner des jeweiligen Weilers hat den Schlüssel dazu. Man muss nur darum fragen, wenn man die Kapelle besichtigen will. Einzelne aber stehen Tags über offen.