Die Kirche hat Monopole eingebüßt

Studie zu Kirchenaustritten: Ärger über Personen und Positionen Viele halten Rückkehr für möglich

Fehlender Glaube, der Kir­chenbeitrag oder Ärger über den Klerus? Die Diözese Innsbruck untersuchte, was Katholiken zum Kirchenaustritt bewegt.

Von GABI STARCK

INNSBRUCK. Es liegt nicht am fehlenden Glauben. So viel steht fest. Denn 74 Pro­zent jener Tirolerinnen und Tiroler, die der Diözese Innsbruck den Rücken gekehrt haben,  betrachten sich nach wie vor als gläubige Men­schen. 70 Prozent bezeich­nen sich weiterhin als Christen. Das ergab eine Befragung, die der Pastoral­theologe Paul Zulehner im Auftrag der Diözese ausge­wertet hat.

27 Prozent der Ausgetre­tenen wiesen gar hohe re­ligiöse wie kirchliche Werte auf. Zulehner bezeichnet sie als Christgläubige. Die größ­te Gruppe mit 53 Prozent jedoch ist jene der Privati­sierenden, wie Zulehner sie nennt. Sie können ihrer persönlichen Ansicht nach ebenso gut auch ohne Kirche gläubig sein. Nur jeder Fünfte gehört zur Gruppe der Atheisierenden – sprich, sie tun sich schwer, an Gott zu glauben.

Eine viel größere Rolle als der Glaube für den Austritt spielt hingegen die Institu­tion Kirche selbst. Über 80 Prozent jener, die bei der Befragung teilgenommen haben, empfinden starke Irritationen. Weitere neun Prozent neigen dazu. Im Detail: Rund 70 Prozent sind über Kirchenvertreter verärgert, über 80 Prozent über Positionen und bestimmte Lehren der Kirche, die sie für überholt halten.

Wozu ist Kirche gut?

Doch viel tiefgreifender als diese Verärgerungen sind für Zulehner die Antworten auf die entscheidende Frage: „Wozu ist Kirche gut?“. Nur mehr wenige der Ausgetretenen gestehen der Kirche Aufgaben (Gratifikationen) zu, die nur sie erfüllen kann. So denken etwa nur neun Prozent, dass sich niemand mehr um alte Leute kümmert, wenn es die Kirche nicht mehr gibt. Nur 16 Prozent gestehen der Kirche die ausschließliche Kompetenz in der Sorge um Arme zu. Auch die Aufgabe der Notfallseelsorge für Trauern­de und Verzweifelte weisen nur 18 Prozent ausschließ­lich der Kirche zu. Und selbst bei den religiösen Gratifika­tionen, wie Fragen zu Gott oder nach dem Sinn des Le­bens, ist eine große Mehrheit der Ausgetretenen der Mei­nung, das ginge auch ohne Kirche.  Nur 17 Prozent von ihnen weisen ihr eine Art Gottesmonopol zu.

Auftrag an die Kirche

Aus der Balance zwischen Verärgerung und den Aufgaben, wofür die Kirche gut ist, schließt Zulehner, dass für den Austritt letztlich die fehenden Gratifikationen maßgeblich sind. Es gelte deshalb, besser zu vermitteln, wofür Kirche steht: ,,Für Nichtmitglieder, um sie zu gewinnen, für Mitglieder, um sie zu halten.“ Denn der Abbau von Verärgerung über Kirchenvertreter oder Kirchenpositionen sei zwar wichtig, könne allein aber Austritte nicht verhindern.

Ähnliches gilt übrigens für den Kirchenbeitrag. Insgesamt 65 Prozent stimmten der Aussage „Der Kirchenbeitrag war mir zu hoch“ zu.
Bemerkenswert daran: Am stärksten haben die Christgläubigen diese Aussage bejaht, bei den Atheisierenden spielte der Kirchenbeitrag nur eine untergeordnete Rolle.

Der Diözese gibt die Be­fragung aber auch Mut: Denn nicht alle Ex-Mitglieder scheinen für immer verloren. Zwei Drittel von ih­nen  schließen eine Rückkehr in die Kirche unter gewissen Umständen nicht aus. 67 Prozent beklagen aber, dass sie zwar religiös sind, die Kirche ihnen dabei aber nicht helfe. Ein klarer Auftrag für die Diözese. Diese Menschen wollen und können laut Zulehner umworben werden.

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Quelle: Tiroler Tageszeitung

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