Die Sage von der Hölle

Die Sage von der Hölle

Diese Sage stammt aus dem Nachlass von Karl Pirktl und wurde dem Chronikteam von seinem Enkel Christian Weiss im Juli 2021 zur Verfügung gestellt.  Karl Pirktl war langjähriger Berufsjäger der Genossenschaftsjagd Obsteig, zuerst bei Jagdpächtern aus der Schweiz und dann viele Jahre im Dienst der Familie Hünnebeck.

Wer diese Sage aufgeschrieben hat, und wann sie entstand, ist leider nicht bekannt. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt diese Sage aus der Feder eines Sommergastes oder Jagdgastes der Familie Franziska und Karl Pirktl aus Aschland.

 

 

Die Sage von der Hölle

 

 

Droben im Gebirge liegt, umsäumt von bizarren Felsen, ein kleines Hochtal. Um es zu erreichen, muß man einige Stunden aufwärts wandern. Der Weg ist steil und steinig und will schier gar kein Ende nehmen. Doch dann macht er eine letzte Biegung…..und unbeschreiblich schön liegt vor einem das Hochtal. Die letzten Enzianblüten des Sommers, die dunkelblauen Kelche recken sich der Sonne entgegen. In leuchtendem Rot prangen Alpenrosen und Almrausch. Selbst das sonst so seltene Steinröslein erfreut hier den Wanderer mit seinem betörenden Duft. Weiter droben wird der Weg zu einem schmalen Pfad, schlängelt sich vorbei an einem Wildbach, hindurch zwischen Latschen und Felsbrocken. Verhält man sich still und betrachtet aufmerksam die das Tal umschließenden Hänge und Wände, so kann man die Gemsen betrachten  –  Rudel von zwölf bis achtundzwanzig Stück.  Eine Gamsgeiß überquert mit ihrem Kitz vorsichtig eine Geröllhalde, ein Gries………  Einige Steine lockern sich und poltern, andere mit sich reißend, in die Tiefe. Von Ferne ertönen die Glöckchen der weidenden Schafe, die bis hinauf in die Felswände klettern. Über allem liegt eine Stille und ein Frieden, wie man ihn eben nur in der einsamen Bergwelt finden kann. Und dieses herrliche Stückchen Erde wird Hölle genannt?

 

Mir war das völlig unbegreiflich und ich fragte den dortigen Jäger. Er erzählte mir folgende Sage:

„Vor vielen Jahren gingen zwei Fremde in die Berge. Es waren zwei hochnäsige Taugenichtse, die sich von keinem Menschen etwas sagen ließen. Als sie droben im Hochtal anlangten, begegnete ihnen ein Bergknappe. Sie fragten ihn: “ Na, Alter, wie lange müssen wir noch steigen um auf den Gipfel da drüben zu kommen?“ Der Bergknappe schüttelte sein greises Haupt und warnte:  „Kehrt um, Leute! Es kommt ein Wettersturz und ihr seid schlecht ausgerüstet und ortsunkundig.  Wenn der Nebel aufzieht, werdet ihr euch verirren“.  Die Burschen lachten den alten Bergknappen aus und hießen ihn einen Dummkopf. Dann holte einer aus seiner Tasche eine Flasche Branntwein und nahm davon einige kräftige Züge, bis ihm der Andere die Flasche entriss, um auch davon zu trinken. Dem Bergknappen aber grölten sie zu: „Siehst du, du alter Krauter, wie gut wir ausgerüstet sind? So wärmt man sich auf!“  Das ärgerte den alten Mann und er rief: „Macht nur weiter so, dann wird euch eines Tages der Teufel holen!“  „Der soll nur kommen,“ schrien die Burschen, “ mit uns wird selbst der nicht fertig“.

Mit ungeheurem Getöse prasselte da eine Steinlawine zu Tal. Der Bergknappe sah darin ein böses Omen und rannte, so schnell ihn seine alten Beine trugen, den Berg hinab. Die Burschen hingegen schüttelten sich halb aus vor Lachen und setzten dann, vom Branntwein berauscht, torkelnd ihren Weg fort.

Der Teufel aber war mit der Steinlawine herabgeeilt und schlich unbemerkt hinter den beiden her. Doch schon war die „Versuchung“ bei ihm und sprach:  „Teufel, überlasse die beiden Burschen mir.“ Damit war der Teufel nicht einverstanden. „Was soll das? Du bist die Versuchung, meine Dienerin, was willst du mit diesen Burschen? Sie sind schlecht und gehören schon mir.“  Ich möchte dir beweisen, daß ich ebensoviel kann wie du!“ erwiderte die Versuchung. „Oho – dann beweise es“ sagte der Teufel.

Flugs hatte sich die Versuchung in eine Sennerin verwandelt und tauchte plötzlich vor den Burschen mit den Worten auf: “ Helft mir doch bitte suchen, eines meiner Schafe hat sich verirrt!“  Die Rohlinge aber dachten nicht daran, der jungen, hübschen Sennerin zu helfen. Sie überhäuften das Mädchen mit unflätigen Redensarten, packten es am Schürzenband und hielten es fest. Doch die vermeintliche Sennerin riß sich los und rannte davon, gejagt von den grölenden Burschen, die sie bald einholten. Sie stolperte und fiel auf das Geröll. Gewiß wäre es um sie geschehen gewesen, wenn der Teufel nicht mit Blitz und Donner dazwischen gefahren wäre. Die frechen Burschen indessen suchten trotz des Wetters nach der verschwundenen Sennerin.  Als sie diese nicht fanden, begannen diese fürchterlich zu lästern und zu schimpfen. Wütend schrie einer der Beiden: „Mir scheint, hier hat der Teufel seine Hand im Spiel! Er soll nur kommen, ich drehe ihm den Kragen um!“

Der Teufel hörte diese Worte und beschloß diesen Taugenichtsen ein Ende zu setzen. Mit Sturm, Hagel, Blitz und Donner fuhr er in das Hochtal. Regengüsse verwandelten das Wildbächlein in einen alles mitsichreißenden Fluß. Das Toben und Donnern war weithin hörbar. Erschrocken liefen drunten im Tal die Menschen zusammen, denn sie glaubten die Berge würden einstürzen. Plötzlich sahen sie, wie völlig durchnäßt und erschöpft der alte Bergknappe hinabgeeilt kam. Er schrie den Leuten zu:

„Droben im Hochtal, tobt es wie in der Hölle!“

Auch von den unverschämten Burschen berichtete er. Trotz des Unwetters machten sich sogleich hilfsbereite Menschen auf, die Fremden zu suchen. Sie kamen nicht weit. Ein Bergrutsch machte jegliches Weiterkommen unmöglich. Viele Tage und Nächte tobte das Wetter im Hochtal. Als endlich die Wolken aufrissen, wagten sich einige Mutige hinauf. „Wir gehen in die Hölle“, sagten sie. und seitdem wird dieses Hochtal „die Hölle“ genannt. Dort oben fanden sie zwei über mannshohe Steine, die früher nicht an diesem Ort gelegen hatten. Aber von den Fremden fehlte jede Spur. Man hat die Burschen nie gefunden.

Sollten aber diese Steine sprechen können, dann, ja was würden sie dann sagen? Nein sie können nicht sprechen und werden ihr Geheimnis ewig wahren.“

 

 

 

Oft denke ich an des Jägers Sage von „der Hölle“. Wie angebracht wäre es doch, wenn jeder Urlauber, der in die Berge geht, auf die Einheimischen hören möchte! Man muß ja nicht so sein, wie die beiden Burschen der Sage. Aber schon allein Leichtfertigkeit, wenn nicht unbewußter Leichtsinn, kann in den Bergen zum Verhängnis werden. Sie meinen es gut, die Einheimischen, und das sollte man als Urlauber nicht vergessen. Unendlich viel Herzeleid wäre dann manchesmal erspart.

 

 

 

Bilder von Unwetterschäden im Ursprung 2021.  Foto Hannes Faimann

 

Danke an die Familie Weiss vom Hotel Lärchenhof in Holzleiten für die Überlassung dieser Sage und die Zustimmung zur Veröffentlichung in der „Chronik Obsteig“.

Für das Chronikteam: Toni Riser

 

 

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen

Quelle: Chronik Obsteig

Orginaldokument: Die Sage von der Hölle